Mit Star Wars: Jedi Fallen Order stellten Publisher EA und Entwickler Respawn 2019 zwei Dinge unter Beweis. Erstens: die in der Anfangsphase des Games-as-Service-Trends totgesagten Single-Player-Games waren noch quicklebendig. Und zweitens: EA wusste scheinbar doch etwas Sinnvolles mit der exklusiven Star Wars-Lizenz anzufangen, die sie sich 2013 für einen 10-Jahreszeitraum von Disney sicherten. Nach PR-Katastrophen wie Battlefront II mit seinen Lootbox-Mechaniken war dieser erste Erfolg nach 6 (!) Jahren auch dringend notwendig.
2023 läuft der Deal zwischen EA und Disney aus, und wir wissen bereits von Star Wars-Titeln, die sich bei Ubisoft und Quantic Dream in Entwicklung befinden. Den krönenden Abschluss ihrer Exklusiv-Ära möchte EA jetzt mit Jedi Survivor bilden, das die Geschichte von Jedi: Fallen Order fortführt. Ist ihnen das gelungen?
Wie bereits im ersten Teil spielt ihr auch in Jedi Survivor wieder den Jedi Cal Kestis, der die berüchtigte Order 66 überlebt hat, und sich jetzt auf Seiten der Rebellion im Kampf gegen das Imperium befindet. Seit den Geschehnissen von Jedi: Fallen Order sind allerdings einige Jahre ins Land gegangen, und die Crew rund um Cere, Greez und Merrin hat sich aufgelöst und in alle Winde verstreut, allein die Mantis, das Schiff, ist Cal geblieben. Nach einer schiefgelaufenen Mission auf Coruscant und einer Bruchlandung auf der alten Jedi-Welt Koboh deckt er ein Geheimnis auf, das seine Wurzeln in der Ära der Hohen Republik hat.
Bei seinem Abenteuer kann Cal auf aus dem ersten Teil bereits bekannte Kampftechniken zurückgreifen. Wie es sich für einen Jedi gehört, ist er natürlich mit einem Lichtschwert ausgestattet. Dazu gesellen sich zahlreiche Machtfähigkeiten. Neben Klassikern wie Force Pull, Force Push, etc. hat sich diesmal auch bspw. der Jedi Mind Trick dort eingereiht. So könnt ihr für kurze Zeit eure Gegner auf eurer Seite kämpfen lassen, oder auch die lokale Fauna beruhigen, um sie dann als Reittier zu nutzen.
Eine große Neuerung sind die Stances, die euch euren Spielstil neben dem Skill Tree maximal individualisieren lassen. So kann Cal jederzeit zwei verschiedene Kampstellungen im Repertoire haben, zwischen denen er wechseln kann. Ob ihr das klassische einzelne Lichtschwert mit den Dual Wield-Klingen kombiniert oder erst in Darth Maul-Manier mit dem Double Blade durch die Gegend schwingt und euch anschließend mit dem schwerfälligen Crossguard-Schwert (Kylo Ren-Fans freuen sich!) durch die Gegnerreihen schnetzelt, ist euch überlassen. Allein die Blaster Stance fühlt sich für einen Jedi dann doch etwas unpassend an, auch wenn sie mehr Reichweite als die anderen ins Spiel bringt. Aber wie sagte Obi-wan Kenobi schon: so uncivilized!
Am Kampfsystem hat sich soweit nichts geändert. In bester Souls-Manier sind die Kämpfe herausfordernd, und das ein oder andere Mal werdet ihr den Löffel abgeben und eins mit der Macht werden. Hier kommen die Meditationspunkte ins Spiel, die an denen ihr leveln, fast traveln oder euch ausruhen könnt. Wählt ihr letzteres, erhaltet ihr volle Gesund und alle besiegten Gegner respawnen. So weit, so bekannt. Hier gilt: if it ain’t broken, don’t fix it. Das Souls-System passte im ersten Teil schon erstaunlich gut zur Star Wars-Lizenz, was nicht selbstverständlich war. Mit den Stances kommt jetzt die nötige Portion Abwechslung und Taktik ins Kampfsystem.
Die zweite große Neuerung findet sich im Erkunden der Planeten wieder. Während ihr auch diesmal wieder Metroidvania-mäßig aufgebaute Planeten bereisen, und neue Wege freischalten könnt, je zahlreicher eure Fähigkeiten werden, habt ihr diesmal eine “Heimat”. Der Planet Koboh, auf dem ihr zu Beginn des Spiels landet, dient im Laufe des Spiels als Hub, den ihr durch die zahlreichen Side Quests ausbauen könnt.
Der Saloon eures alten Kumpels Greez, Ex-Pilot der Mantis, dient dabei als zentraler Treffpunkt. Ist euch der Schuppen zu leise? Dann solltet ihr dem Gerücht nachgehen, dass sich irgendwo auf Koboh grade eine bekannte DJane und ihr Roboter befinden, um Samples aufzunehmen, und zack: ihr habt Musik im Saloon! Genauso könnt ihr einen Garten anpflanzen, oder ein Aquarium wieder auf Vordermann bringen. Diese kleinen Nebenaktivitäten helfen enorm dabei, das Spielgeschehen aufzulockern. So bietet Survivor einen deutlich größeren Umfang als noch sein Vorgänger.
Zur Story will ich an dieser Stelle nicht zu viel verraten, denn die hat mich tatsächlich richtig überrascht. Wer erneut eine “Rebellen vs Imperium”-Geschichte erwartet, wird hier große Augen machen, denn mit der Story hat sich Respawn tatsächlich sehr aus dem Fenster gelehnt und mal richtig was gewagt, um etwas Neues zu bieten. Und so viel sei gesagt: es hat sich gelohnt.
Was ich allerdings verraten kann: ich LIEBE es, wenn es Star Wars-Geschichten schaffen, sich nicht nur in ihrer Ära (also Prequels, OT, Sequels bspw.) zu bewegen, sondern die in-world Timeline anzuerkennen und Elemente oder Charakter aus anderen Perioden in ihre Handlung einzubauen (ich hab Freudensprünge gemacht, als Boba Fett in The Mandalorian seine seismischen Bomben eingesetzt hat). Und genau das schafft Jedi Survivor. Die Story fühlt sich nicht wie im Vakuum der Originaltrilogie erzählt an, sondern bezieht Elemente aus anderen Äras sinnvoll und wertvoll für die Geschichte mit ein. So kämpft ihr auf Coruscant zu Beginn noch gegen Sturmtruppen, landet ihr aber auf Koboh, seht ihr euch plötzlich Kampfdroiden aus den Klonkriegen entgegen, die seitdem neu programmiert wurden und jetzt für eine Gaunerbande auf Koboh kämpfen. Solche kleinen Handgriffe tragen enorm dazu bei, dass sich das Star Wars-Universum authentisch und eingelebt anfühlt.
Zu guter Letzt müssen wir allerdings über einen großen Minuspunkt sprechen, über den schon viel durch die Presse ging: die Performance. Für dieses Review wurde auf dem PC getestet, und dort gestaltet sich das Spielen stellenweise zur echten Geduldsprobe. Nachdem ich mich nach einer flüssigen Performance auf dem ersten Planenten noch glücklich schätzte, gingen die Frames danach schnell in die Knie. Die Frametime, also die Zeit, die zur Berechnung jedes Bilds benötigt wird, ist stark schwankend, und sorgt so für ein instabiles Spielerlebnis. Meine RX 5700 XT ist zu 70% ausgelastet, trotzdem schafft es das Spiel selten über 50 FPS, oft bewegt es sich sogar eher bei 30-40 FPS.
Grade bei einem Titel, wo in den Kämpfen präzises Timing benötigt wird, können einem derartige Probleme den Spielspaß ordentlich verderben. Inzwischen ist bereits Patch 5 erschienen, die Verbesserungen sind zwar lobenswert, aber sie drücken sich in der Performance nur marginal aus. Es ist und bleibt indiskutabel, dass Spiele in dieser Form für den Vollpreis auf den Markt gebracht werden, und das ganze dann im Nachhinein mit Patches geflickt werden soll. Der Titel ist inzwischen lediglich von “Unspielbar” auf “Spielbar, mit gutem Nervenkostüm” gewechselt.
Fazit
Mit Star Wars: Jedi Survivor liefert Respawn eigentlich einen Game of the Year-Kandidaten, der sich auch nicht vor einem Tears of the Kingdom verstecken muss – wären da nicht die gravierenden technischen Probleme, die das Spielerlebnis eintrüben. Denn dahinter verbirgt sich ein packendes Star Wars-Adventure, das die Stärken seines Vorgängers übernimmt und weiter ausbaut. Arkham Asylum hatte Arkham City, Assassin’s Creed hatte Assassin’s Creed II, und Star Wars: Jedi Fallen Order hat jetzt Star Wars: Jedi Survivor – diesen zweiten Teil, der alles noch besser macht. So reiht sich der Titel vermutlich auch in zukünftige Listen der besten Sequels aller Zeiten ein. Wenn bis dahin die Performance-Probleme behoben sind…
Star Wars: Jedi Survivor verdiente sich die
GAMAZINE GOLD TROPHY
Official Story Trailer