Euer Raumschiff stürzt ab. Ihr findet euch in einer unbekannten und höchst feindseligen Umgebung wieder. Um herauszufinden, was zu eurem Absturz geführt hat und was es mit diesem seltsamen Planeten auf sich hat, müsst ihr sterben. Immer und immer wieder.
Moment mal, werdet ihr sagen. Hab ich hier aus Versehen eine Review zu Returnal geöffnet? Die Verwirrung könnte man euch nicht übel nehmen, denn die Parallelen zu Scars Above sind nicht weg zu diskutieren. Zumindest wurde das serbische Entwicklerstudio Mad Head Games vom ursprünglich PS5-exklusiven Roguelite-Hit thematisch inspiriert. Aber kann das Action-Adventure spielerisch auf eigenen Beinen stehen?
Eine Gemeinsamkeit zu Returnal besteht nämlich nur auf den ersten Blick. Zwar ist das ständige Sterben ein fester Bestandteil beider Titel. Aber statt eines Roguelite-Ansatzes, wie ihn Housemarque für Returnal wählte, geht Mad Head Games hier einen anderen Weg. Bei Scars Above handelt es sich nämlich um ein astreines Soulslike. Erlernte Skills und erhaltene Waffen verliert ihr also nicht bei jedem neuen Run, wollt ihr aber an einem der Speicherpunkte euren Fortschritt sichern und Gesundheit wie Munition auffüllen, werden alle besiegten Gegner wiederhergestellt. So schafft es Scars Above mit dieser individuellen Mischung aus Gameplay und Look & Feel eine eigene Identität zu finden und sich trotz Parallelen auch von anderen Titeln im inzwischen gesättigten Soulslike-Markt abzuheben.
Wie sieht es mit der Story aus, die bei vergleichbaren Games ja gerne mal zu kurz kommt? Hier kann der AA-Titel auf jeden Fall punkten mit einer stimmigen und interessanten Story, die euch auf der Suche nach Antworten immer weiter treibt:
Als eine riesige und geheimnisvolle Alienstruktur, das Metahedron, über der Erde auftaucht, liegt es an den SCARs, einem Team aus Wissenschaftlern, ihren Ursprung zu erforschen. Nachdem es zum Absturz ihres Schiffs kommt, liegt es an Kate den Rest ihrer Crew zu finden und das Geheimnis des Metahedrons zu lüften. Zwischen ihr und ihrem Ziel stehen zahlreiche Kreaturen, die das außerirdische Gebilde ins Leben gerufen hat.
Um diese zu bekämpfen, steht euch ein umfangreiches Arsenal zur Verfügung, das ihr mit eurem portablen 3D-Drucker craften sowie upgraden könnt. Für den Nahkampf zweckentfremdet ihr einfach ein Schneidewerkzeug, für alles andere greift ihr zu einer der verschiedenen Knarren. Hier stehen euch verschiedene Statuseffekte wie Feuer oder Eis zur Verfügung, die natürlich sinnvoll gegen entsprechend verwundbare Gegner eingesetzt werden wollen. Außerdem sammelt ihr im Laufe eures Abenteuers Gadgets ein, die euch das Leben einfacher machen, bspw. ein Tool, mit dem ihr die Zeit kurzzeitig verlangsamen könnt.
So entsteht in der Theorie eigentlich ein ansprechendes Kampfsystem. In der Praxis ist es zwar funktionstüchtig, aber es steht sich selbst im Weg, oder vielmehr: die Steuerung. Denn um die echt spaßigen Gadgets und Waffen optimal und präzise einsetzen zu können, würde es eine ebenso präzise Steuerung benötigen. Leider hat man aber oft das Gefühl, dass es einen Tick zu lange braucht, bis die eigenen Inputs auf dem Bildschirm umgesetzt werden. Ob es an den teils steifen und eventuell zu langwierigen Animationen liegt, ist schwer zu sagen. Ein Gefühl der Unbeholfenheit wird man nie so richtig los.
Was das Gameplay zusätzlich unnötig behindert, sind Mechaniken, die stellenweise eingeführt werden und euch das Leben noch weiter erschweren sollen. So weit, so gewöhnlich für einen Titel aus dem Souls-Genre. Aber da haben es die Entwickler doch teilweise zu gut gemeint.
Nur ein Beispiel: euch verschlägt es u.a. in eine klirrend kaltes Biom der Map, in dem euch eure Spielfigur direkt wissen lässt, dass sie hier erfrieren wird, wenn sie längere Zeit unterwegs wird. Ein Glück, dass auf eurem Weg Sträucher verstreut sind, die ihr mithilfe eures „Flammenwerfers“ entzünden und somit eine Wärmequelle schaffen könnt. Dieses Konzept wird im Laufe dieser Stage aber derart auf die Spitze getrieben, dass ihr teilweise nur wenige Sekunden habt, um vom einen zum nächsten Feuer zu kommen. Und das, während euch gleich mehrere Gegner im Nacken sitzen, die nur dann besiegt werden können, wenn sie ihren wunden Punkt freigeben. Angesichts der künstlich geschaffenen Challenge, die wenig mit Skill zu tun hat, ist Frust vorprogrammiert.
Eine willkommene Abwechslung bieten wiederum Passagen, in denen ihr detektivmäßig an einer Location Hinweise finden und Geschehnisse rekonstruieren müsst, um die gesuchte Antwort zu finden. Solche Gameplay-Mechaniken sind für Soulslikes eher unüblich, und eher bei Titeln wie der Batman: Arkham-Reihe zu verorten, daher ist es umso erfreulicher, dass hier mit Genre-Konventionen gebrochen wird.
Bei allem Lob für die gelungene Story muss aber auch an der Präsentation Kritik erlaubt sein. Transportiert wird die Geschichte und die Stimmung v.a. in-game durch Worldbuilding und Lore. Die Cutscenes glänzen eher mit steifen Animationen und mittelmäßigem Voice-acting. Wie auch beim Gameplay lässt sich hier der Eurojank nicht verleugnen.
Fazit
Wer weiß, worauf er sich einlässt, dem hat Scars Above durchaus Interessantes zu bieten: eine interessante Story, stimmige Atmosphäre, Spielmechaniken, die das Soulslike-Einmaleins aufmischen. Derjenige sollte sich aber genauso auf die Schattenseiten gefasst machen: hakelige Steuerung, steife Animationen, mittelmäßiges bis unterdurchschnittliches Voice-Acting und Spielpassagen, die nicht ausreichend gebalanced sind.
Die Frage stellt sich: für wen wurde dieses Spiel gemacht? Souls-Fans sind sonst eigentlich einen anderen Qualitätsstandard gewohnt, und diejenigen, die mit Spielen dieser Art gar nichts anfangen können, werden hier sowieso nicht glücklich. Ist man Eurojank-Fan alter Schule und hat bspw. The Surge 1&2 gerne gespielt, ist man hier vielleicht nicht fehl am Platz und kann mal rein schauen.