Am 20. August 2020 war es soweit. Dovetail Games veröffentlichte ihren neuen Ableger der Zugsimulation „Train Sim World 2“ (kurz TSW2). Wie der Simulator geworden ist, erfährst du in diesem Review!
Train Sim World 2 ist der offizielle Nachfolger des gleichnamigen Train Sim World 2020 und wurde mit neuen Funktionen ausgestattet. Zunächst wird man bei dem ersten Start dazu aufgefordert,sein Dovetail Live Profil zu verbinden, wenn man eines besitzt. Sollte dies nicht der Fall sein, kann man problemlos ein neues Konto anlegen oder auch ohne Konto fortfahren. Hat man diesen Schritt hinter sich gebracht, muss man sich einen Fahrer aussuchen, welcher einem über seine komplette „Karriere“ verfolgt. Leider stehen nur eine handvoll Fahrer zur Auswahl und ehrlich gesagt, hätte ich keinen davon gewählt, wenn ich es nicht müsste. Hat man seinen Charakter ausgewählt, kann man nun noch entscheiden, welche Arbeitsbekleidung der Charakter tragen soll. Hier kann man aus der Arbeitsbekleidung der amerikanischen Eisenbahngesellschaft „CSX“, dem britischen Transportunternehmen „Transport for London“ oder der deutschen Aktiengesellschaft „Deutsche Bahn“ wählen. Natürlich entschied ich mich als Deutscher für die DB-Uniform, mit was auch sonst.
Nachdem man nun seinen Charakter mit passender Arbeitsbekleidung ausgestattet hat, kann man zwischen den drei mitgelieferten Routen wählen. Bei TSW2 bereits enthalten sind die Routen, „Bakerloo Line“, welche im Jahr 1906 in London eröffnet wurde und gehört somit zu eine der ältesten Strecken im Londoner U-Bahnnetz (als London Underground bekannt), weiter geht es mit der Route „Köln Schnellfahrstrecke“, wo man den Hochgeschwindigkeitszug DB BR 406 ICE 3M zwischen Köln und Aachen fahren darf und zu guter Letzt die Route „Sand Patch Grade“, welche eingefleischten TSW-Spielern bereits bekannt sein dürfte. Auf der zuletzt genannten Route fährt man eine CSX AC4400CW, ein Dieselmonster amerikanischer Ingenieurskunst, über die Allegheny Mountains im Osten der Vereinigten Staaten.
Auch wie schon bei der Kleidung habe ich mich natürlich für die deutsche Hochgeschwindigkeitsstrecke entschieden und wurde nach dem Bestätigen meiner Auswahl direkt in ein Tutorial geführt, wo ich die Steuerung meines Charakters und natürlich auch die des ICE erlernte. Wer den TSW noch nie gespielt hat, wird hier spielend leicht in die Steuerung eingeführt, da diese (vorausgesetzt man hat es vor dem Start des Spieles eingestellt) mit deutschen Bildschirmtexten, deutscher Sprachausgabe und Markierungen dargestellt wird. Wunderbar wird das Overlay im Spiel erklärt und man muss sämtliche Funktionen ausführen, welche uns als Aufgabe aufgetragen werden. Nach wenigen Minuten ist das Tutorial auch schon beendet und wir können uns dazu entscheiden, ob wir vorgefertigte Szenarien oder einen realen Schichtplan fahren wollen. Ich entscheide mich hier erstmal für die vorgefertigten Szenarien, da dies einen leichten Einstieg in die Welt der Eisenbahnsimulation bietet und zudem gewisse Situationen darin simuliert werden können, wenn der Szenario-Ersteller dies so will.
Im Fahrbetrieb geht es nun an das Eingemachte. Das erste Mal selbstständig einen ICE einrichten und steuern. Den Batteriehauptschalter betätigt, check. Den Pantografen hinauf gelassen, check. Die Bremsen gelöst, check. Schubregler nach vorne geschoben, wohoo, auf gehts! Der Triebwagen setzt sich in Bewegung, die Elektromotoren singen ein Lied und zügig erreichen wir die Geschwindigkeit von 260 KM/h (natürlich nur da, wo wir es dürfen). Wir fahren durch die ansehnlich gestalteten Landschaften, fahren an kleinen Nebenbahnhöfen vorbei, wo wir auch halten könnten (insofern wir den ebenfalls in TSW2 beinhalteten Bombardier Talent 2 gewählt hätten) und achten auf die Signale, sowie Geschwindigkeitsbeschränkungen auf der Strecke. Nach einiger Zeit erreichen wir unseren Haltebahnhof und versuchen mit viel Geschick an der richtigen Stelle zu halten, damit auch alle Fahrgäste ein- und aussteigen können. Für mich als bereits erfahrener Simulations-Lokführer stellt dies kein Problem dar, zumal sich der ICE wirklich gut steuern lässt. Auch eine funktionierende AFB (Automatische Fahr- und Bremssteuerung), LZB (Linienförmige Zugbeeinflussung) und PZB (Punktförmige Zugbeeinflussung) ist inzwischen wunderbar in das Spiel intigriert worden. Auch anderweitig ist der TSW2 technisch dem Vorgänger einen Schritt voraus, so wurde nun auf ein realistischeres Physiksystem gesetzt, welches besser auf Gewicht, wetterliche Begebenheiten und Schub der verschiedenen Loks reagiert. So können zum Beispiel schon mal die Räder bei dem Triebwagen durchdrehen, wenn das Gespann zu schwer ist und man zu viel Schub gibt oder schnelle Zugverbände bremsen langsamer, wenn es regnet oder schneit, da die Räder schneller auf rutschigen Gleisen blockieren können.
Grafisch wurde der TSW2 nur minimal aufgewertet. Die Lichtverhältnisse sind nicht mehr so überstrahlt, wobei es noch immer etwas zu stark leuchtet. Einige Shader wurden überarbeitet, dadurch wirkt die Gesamtoptik etwas schärfer. Leider sind noch immer, an sich drehenden Rädern, unschön aussehende unscharfe Effekte zu sehen, welche es auch schon bei TSW2020 gab. Allgemein wirkt der TSW2 wie der TSW2020. Es gibt kaum Neuerungen, die den Spieler vermitteln, dass es sich um ein neues Spiel handelt. Die Steuerung, die Grafik, die Menüs und ja, leider auch die Grafikfehler und Bugs sind die Gleichen geblieben.
Neu hingegen ist der Anstrich Designer, womit man seine via DLC gekauften Loks selbst „bemalen“ kann. Leider wirkt das Werkzeug sehr unprofessionell, da man hier nur die Grundfarbe der Modelle ändern kann, wobei man hier zudem nur sehr schwer die gleiche Farbe auf ein weiteres Modell übertragen und die Modelle mit Aufklebern bekleben kann, welche nur in der Größe änderbar sind. Die vorgenommenen Einstellungen der Farben und Aufkleber lassen sich nicht kopieren, somit ist es so gut wie unmöglich, schöne Designs mit diesem Editor zu erstellen. Es fehlt einfach an grundlegenden Funktionen wie das Duplizieren und das auslesen des HEX-Codes der Farben. Es macht keinen Spaß hier etwas zu gestalten. Damit ist hierzu eigentlich auch schon alles gesagt. Laut Dovetail soll hier jedoch ein Update kommen, welches diese Funktionen hinzufügt. Wann das geschieht, steht aktuell noch in den Sternen. Wenn man die Roadmap des TSW2020 betrachtet, stellt man sehr schnell fest, dass Dovetail hier viel versprochen, aber nie geliefert hat.
Weiterhin dabei ist ein Szenario-Editor, der es dem Spieler ermöglicht, eigene Szenarien für den TSW2 zu erstellen. Das ist natürlich nett dass es mitgeliefert wurde, nicht so gut überlegt daran ist jedoch, dass man seine Szenarien und auch Designs der Loks nicht mit anderen Spielern teilen kann, denn es gibt keinen Workshop auf Steam für das Spiel.
Auch sehr unüberlegt ist das eingebaute Level-Up-System. Reden wir an dieser Stelle mal Tacheles. Für was braucht man so ein System, wenn dieses einem keine Vorteile oder Nachteile bringt? Man hat nichts davon, wenn man im eigenen Spielerlevel aufsteigt. Man erhält hier Punkte für das befahren von Strecken, dem Steuern von Loks und für das Erfüllen von Aufgaben. Nur für was, wenn man nichts davon hat? Aus meiner Sicht ist dieses System vollkommen überflüssig und es braucht kein Mensch. In meinen Augen ist dies einfach nur verschenkte Zeit, welche man in der Entwicklung des Simulators anders einsetzen hätte können. Zum Beispiel sinnvoll wäre eine Art Fahrschule gewesen, wo man erst bestimmte Aufgaben erfüllen muss, wenn man so einen Zug im Fahrbetrieb fahren will oder eine Art Karrieresystem, wo man als Rangierer beginnt und sich später für den Fahrdienst weiterbildet. Hier würde solch ein Levelsystem auch bemerkbar machen. Nun gut, vielleicht kommt da ja noch etwas, wir warten ab.
Ein Multiplayer-Modus und Karteneditor wurde auch in TSW2 nicht verwirklicht, was allerdings seit Beginn der TSW1 Entwicklung von den Fans der Eisenbahnsimulation gefordert wird. Verständlich, denn fast jeder Simulator bietet ihren Spielern inzwischen einen Multiplayer-Modus und auch einen Karteneditor, womit man seine eigenen Kreationen entwerfen kann.
Allgemein gesehen ist der TSW2 eine nette Spielerei für zwischendurch, kommt jedoch noch immer nicht an den Train Simulator (ebenfalls aus dem Hause Dovetail Games) heran. Noch immer wirkt der TSW2 wie eine unfertige Beta-Version, die hier und da mal eine neue Strecke als käuflich erwerbbares DLC bekommt. Dank der „Preserved Collection“ bekommt man glücklicherweise sein erworbenes DLC des TSW1 kostenlos zu TSW2 übertragen, aber auch hier gibt es wieder einen faden Beigeschmack, denn nicht alle DLCs aus dem Vorgänger erscheinen auch für TSW2!
FAZIT:
Der TSW2 schaut gut aus, er wird mit 3 Routen und 4 Loks ausgeliefert und ist eine nette Spielerei für zwischendurch. Leider erinnert alles an den Vorgänger TSW1 und man bekommt ein ungutes Gefühl, wenn man weiß, dass es sich im Grunde um das gleiche Spiel handelt, welches nur sehr wenig oder auch zum teil unnütze Updates mit sich bringt. Besitzer des Vorgängers dürften sich hier auf gut Deutsch, „über den Tisch gezogen fühlen“, da sie hier für ein Spiel erneut bezahlen müssen, welches sie im Grunde schon besitzen. Nur die 2 neuen Routen inklusive Rollmaterial sind ein Grund für den verlangten Preis von ca. 30 Euro. Wenn man dies nun in Betracht zieht, ist das wiederum ein Schnäppchen, denn einzeln würden diese 2 neuen Routen sicher auch um die 30 Euro kosten, somit wären wir bei 60 Euro. Wer den TSW1 nicht besitzt, kann hier beherzt zugreifen, denn der TSW ist technisch etwas aufpoliert und der ICE 3M macht viel Spaß. Mit einer Kaufempfehlung halte ich mich jedoch zurück. Hier muss jeder für sich entscheiden, ob er die Arroganz des britischen Unternehmens Dovetail Games finanzieren will.